Donnerstag, 4. Oktober 2012

Die Rijksuniversiteit Groningen

Times Higher Education
World University Ranking
Heute ist es einmal an der Zeit ein wenig über die akademische Situation in Groningen zu schreiben. Deshalb bin ich ja auch eigentlich hier.
Die Rijksuniversiteit Groningen ist dieses Jahr wieder auf der THE-Liste (Times Higher Education - World University Ranking), und zwar auf Platz 89. Diesen Platz teilt sie sich mit der Uni Zürich. Die aktuelle Liste ist gestern veröffentlicht worden: timeshighereducation.co.uk
Bei der Liste geht es um die Qualität der Lehre und die Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler und wissenschaftliches Personal. Aber auch der Ruf und die Anzahl der Zitierungen in wissenschaftlichen Publikationen fließen in die Wertung mit ein. Bei letzterem Punkt hat die Uni Groningen den Vorteil, dass sie relativ große Teile ihrer Veranstaltungen auch oder ausschließlich auf Englisch anbietet. Aus diesem Grund veröffentlichen auch mehr Professoren auf Englisch, was die Wahrscheinlichkeit erhöht auch über den nationalen Rahmen hinaus zitiert zu werden.
Die beste deutsche Hochschule ist übrigens die Ludwig-Maximilians-Universität München auf Platz 48.
Die Liste besteht insgesamt aus 400 Hochschulen. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es allein 421 Hochschulen. Allein schon auf der Liste der besten 400 weltweit Erwähnung zu finden, heißt also schon mal etwas.
Die Rijksuniversiteit Groningen wurde nach dem Ende des Mittelalters zu Beginn der Neuzeit 1612 gegründet. Heute besteht sie aus 28.200 Studenten, 4.897 Mitarbeitern und 413 Professoren.
Daneben gibt es auch noch die Hanzehogeschool mit 25.000 und 2.700 Mitarbeitern.
Das macht alles zusammen 61.210 Menschen in Groningen, die unmittelbar an der Universität beschäftigt sind. Bei 192.985 Einwohnern ist das jeder Dritte. Man hat deshalb in dieser Stadt das Gefühl, sie würde sich fast ausschließlich um die Universität drehen. Und wahrscheinlich ist das auch tatsächlich so.
Die (fast) beste Universiteit der Welt
Nun aber mal endlich vom Allgemeinen zum Konkreten. Meine Erfahrungen an der Universität waren bisher durchweg gut. Mehr als 100 Plätze im Ranking über der Julius-Maximilians-Universität Würzburg platziert zu werden, hat die Rijksuniversiteit durchaus verdient.
Meine Vorlesungswoche ist recht kurz. Sie beginnt am Dienstag mit Energy Law, am Mittwoch stehen European Union Law I sowie Dutch Law in a comparative perspective auf dem Plan und am Donnerstag sind die Workinggroups zu den Lectures dran.
Als wir die Materialien zu den Vorlesungen bekamen war ich geschockt. Keine Veranstaltung unter 1000 Seiten Begleitmaterial. In Würzburg war ich es gewohnt mir zu Vorlesung das jeweilige Alpmann- oder Hemmer-Skript zu besorgen und durchzupauken. Ein solches hat gut 300 Seiten und enthält allen Stoff den man braucht in kompakter Form. Nicht mehr und nicht weniger. 1000 Seiten pro Fach (in European Law I sind es über 2.500) erschien mir selbst für einen Jurastudenten recht viel.
Mittlerweile bin ich dahinter gekommen wie das ganze läuft. In den Vorlesung wird der gesamte Stoff im Schnelldurchgang einmal überflogen. Wer aufpasst und mitschreibt, hat nach der Vorlesung nicht viel tatsächliches Wissen erworben, hat dafür aber einen Überblick, welche Punkte wichtig sind. Man hat jedesmal eine Menge Stichwörter zum Nachschlagen auf seinem Zettel stehen. Das macht man dann daheim.
Man stellt dabei fest, dass fast jedes dieser Stichworte Stoff für mehrere Doktorarbeiten hergeben würde. Was dann an der betreffenden Stelle im Buch steht, braucht man sich dann aber nicht unbedingt merken, sondern nur DAS es da steht. Bei den Examina handelt es sich nämlich um sogenannte "open book exams". Das heißt, dass wir jedes beliebige Buch oder sonstiges Material (mit Ausnahme eines internetfähigen Geräts) mit zur Klausur bringen dürfen.
Der alte Spruch "Ein Jurist muss nicht wissen wie's geht, er muss nur wissen wo's steht" wird damit auf eine neue Stufe gehoben.
Fehlen nur noch Umschlag und Buchrücken 
Da die gedruckten Reader, die über den Webshop zu beziehen sind, jeweils um die 50 € kosten, haben ich mir die meisten mittlerweile als PDF besorgt. Und da ich sie ja auf meinem iPad in der Klausur nicht lesen darf (weil internetfähig), habe ich sie mir ausgedruckt und mit einem stabilen Faden zusammengebunden. Da hat der Schwabe mal wieder was "g'spoat".
Die wohl angenehmste Vorlesung ist "Dutch Law in a comparative perspective". Es wird in dieser Vorlesung ein Überblick über alle Rechtsgebiete gegeben und die ungefähre Systematik des niederländischen Rechts erklärt. Bis auf die Tatsache, dass die Niederlande kein Verfassungsgericht haben, das Gesetze der Legislative auf deren Übereinstimmung mit der Verfassung prüfen könnte, gibt es Staatsorganisatorisch keine prinzipiellen Unterschiede zu Deutschland. Das Fehlen eines Verfassungsgerichts macht das niederländische Staatsrecht aber nicht komplizierter. Eher im Gegenteil.
In Energy Law beschäftigen wir uns hauptsächlich mit Off-Shore-Energiegewinnung und Gas. Beides ist in Groningen naheliegend. Denn die Stadt liegt nicht nur in unmittelbarer Nähe zum Meer, sondern ich sitze auch, während ich diesen Text hier schreibe, auf dem größten Erdgasvorkommen auf dem europäischen Festland. Zum Glück hat die Regierung beschlossen das Erdgas noch eine Weile in der Erde zu lassen, bis kaum noch anderswo auf der Welt welches vorkommt, um es dann teuer verkaufen zu können. Ein netter Nebeneffekt ist, dass wir noch keine Angst haben müssen, dass jeden Moment der Boden aufbricht und uns in den Abgrund reißt.
Für die Lecture muss ich ein 10-seitiges Paper über ein energierechtliches Thema ausarbeiten. Meine Mitbewohnerin schreibt zeitgleich ihre Bachelorarbeit über das Groninger Gasvorkommen und die Absatzmärkte dafür in Deutschland. Da weiß ich doch gleich, in welche Richtung das Thema meines Energy Law Papers gehen wird.
Die Klausuren sind alle vor Weihnachten. Wenn ich alle auf Anhieb bestehe, habe ich um Weihnachten und Silvester herum eine ruhige und angenehme Zeit. Ansonsten muss ich am 10. Januar, meinem Geburtstag, zum resit.
Darauf, zu welcher Zeit genau mir "die Daumen zu drücken sind", wird in diesem Blog zu gegebener Zeit noch einmal gesondert hingewiesen.

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